Ingenieure für die Energiewende

Prof. Dr.-Ing. Robert Bach Fachhochschule Südwestfalen, Soest

Die Fachhochschule Südwestfalen hat ihr Studienprofil stark an dem aktuellen Bedarf orientiert, der sich aus der Energiewende ergibt. Sowohl in der Studienrichtungen Elektrotechnik vor allem aber im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen können sich junge Ingenieure gezielt für die Energiewende ausbilden lassen. Unterstützt wird diese Ausbildung durch eine intensive Forschung an hochaktuellen Themen der Energiewende von Supraleitenden Kabeln über LED-Technologie bis hin zu Smarts Grids und Speicheroptimierung.

Immer häufiger kommt es vor, dass Mitarbeiter aus der Personalabteilung mit großer Enttäuschung die Rückläufer von Stellenausschreibungen sondieren. Vor allem in den Zukunftsbereichen Energie und eMobility wird es immer schwieriger, gut ausgebildete Ingenieure zu rekrutieren. Das mag einerseits daran liegen, dass die Attraktivität der nach wie vor boomenden IKT-Branchen nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat, vor allem aber, dass sich in der Energietechnik in der Vergangenheit immer stärker ein etwas „verstaubtes Image“ breit gemacht hat. Es erscheint vielen Schulabgängern einfach spannender Apps zu programmieren, als die Leittechnik in einem Kraftwerk am Laufen zu halten. Nicht zu vergessen sind all die Heldensagen von IT-Studierenden, die mit einer App „über Nacht“ steinreich geworden sind.

In der Fachhochschule Südwestfalen ist man sich dieser Problematik sehr bewusst und versucht die Energietechnik vor dem Hintergrund der Energiewende auf neue Füße zu stellen. Die praxisnahe Forschung in den aktuellen Bereichen der Energiewende bietet nicht nur interessante Themen für Bachelor- und Masterarbeiten. Diese Erkenntnisse fließen auch unmittelbar in die Lehre ein und garantieren somit ein hochaktuelles und direkt anwendbares Fachwissen der Absolventen.

Beispielhaft soll an dieser Stelle die Forschung und Lehre im Bereich Supraleitender Kabel aufgezeigt werden. Am Standort der Hochschule in Soest wird im Hochspannungslabor seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Energiekabeltechnik geforscht. Energiekabel gehören zu einem wesentlichen Pfeiler der Energiewende, da nur so die elektrische Energie vor allem in den Städten zum Verbraucher kommt. Doch auch im ländlichen Bereich wird es wegen der zunehmend kritischen Haltung der Gesellschaft immer schwieriger die Energie mittels Freileitung zu transportieren oder zu verteilen, weshalb auch dort die Kabeltechnik eine immer größere Rolle spielt.

Das alles ist nicht wirklich neu. Neu hingegen sind die Herausforderungen, die durch die Energiewende zusätzlich auf die Kabelnetze zukommen.

Normalerweise denkt man bei der Energiewende zunächst an die Energiewandlung in Kraftwerken und die damit verbundene Abkehr von fossiler Verbrennungstechnologie. Auch ist vom Wechsel von Verbrenner- auf batteriebetriebene Elektrofahrzeug oft die Rede.

Was diese Veränderungen aber für Netzbetreiber bedeuten, wird von der Öffentlichkeit schnell übersehen. Netzbetreiber stehen heute schon und in Zukunft noch viel stärker vor der Herausforderung, dass die oben angesprochenen Veränderungen einen erheblichen Einfluss auf den Ausbaubedarf der Netze für Energietransport und -verteilung haben.

Bei dem Umbau der Erzeugungslandschaft ist das sehr offensichtlich. Bei der Einrichtung von Elektrotankstellen in Innenstädten dagegen fällt nicht direkt auf, dass diese auch Anschlussleistungen im Megawattbereich brauchen, die an diesen Stellen aus dem bestehenden Netz nicht zu entnehmen sind. Aber auch ein großflächiger Wechsel zu Luft-Wärme-Pumpen kann zu einer Herausforderung für die Netzinfrastruktur werden, wenn nämlich bei länger anhaltenden Perioden größerer Kälte die Wärme mit Netzstrom erzeugt werden muss.

Während sich bei Offshore-Windparks aber auch bei großen Solarkraftwerken, ein erhebliches Langstrecken-Transportproblem zu den Verbrauchsschwerpunkten ergibt, liegt im Verteilnetz die Problematik eher im Bereich der „mangelnden Querschnitte“, also bei zu geringen Leistungskapazitäten der vorhandenen Infrastruktur – vor allem im städtischen Bereich.

Im Innenstadtbereich wird sich ein Ausbau der Kabelnetze nicht vermeiden lassen, wenn all die Energie, die bisher über Kohle, Öl oder Gas in die Städte kam, nun direkt elektrisch zum Verbraucher gelangen soll. Doch genau das ist leider nicht so einfach. Großstädte sind in Europa häufig über viele Jahrhunderte gewachsene engbesiedelte Gebiete, wo auch der Raum unter der Straße immer stärker genutzt wird. Egal ob Wasser, Abwasser, Gas oder Fernwärme, alle diese leitungsgebundenen Medien werden zusammen mit anderen Infrastrukturen im Erdreich unter den Bürgersteigen und Straßendecken zum Verbraucher geleitet.

Es ist also eng und weitere Energiekabel sind dort schwer unterzubringen, vor allem, wenn die Leiterquerschnitte groß und damit die Biegeradien groß sind. Hinzukommt, dass Energiekabel, die viel Strom transportieren in Ihrer Umgebung auch magnetische Felder und Wärme emittieren. Das wiederum kann für andere Infrastrukturen problematisch werden.

Vor fünf Jahren hat es daher erste Gespräche mit den Stadtwerken München über die Installation supraleitender Hochspannungskabel gegeben. Ziel der Gespräche war es eine Pilotkabelstrecke für 500 MVA quer durch München zu bauen. Die Spannungsebene wurde auf 110 kV festgelegt und die Länge wird ca. 15 km betragen. So etwas hat es weltweit noch nicht gegeben. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat dieses Projekt als förderungswürdig angesehen und finanziert die Entwicklung des ersten Probestücks, welches bald in München im Testeinsatz erprobt wird.

Die supraleitenden Eigenschaften dieses Hochleistungskabels lösen einige der oben beschriebenen Problem auf sehr elegante Weise:

  • Das Kabel ist nach außen thermisch vollkommen neutral
  • Es wird auch nicht durch Wärmequellen beeinflusst (z.B. durch Fernwärmeleitungen)
  • Es werden keine elektrischen oder magnetischen Felder emittiert

vor allem aber:

  • Der erforderliche Bauraum ist minimal – in etwa das Grabenprofil eines Mittelspannungskabelsystems

Erfahrungen mit supraleitenden Energiekabeln gibt es schon seit über 20 Jahren. Aber erst in den letzten Jahren wurden die Projekte immer kommerzieller – also weg von der Pilottechnik und hin zu einer echten Alternative zu Standardkabeln. Und ein wesentlicher Vorteil darf hier nicht unerwähnt bleiben: der geringe Bauraum bedeutet auch geringste Belastung der Innenstädte durch Baustellen.

Somit ist das supraleitende Hochspannungskabel eine sehr vorteilhafte Alternative zu den heute eingesetzten VPE-Kabeln, die an vielen Stellen helfen kann, die Problem der Energiewende zu lösen.

Studierende an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest sind in diesem Projekt in Form von Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten eingebunden und treiben das Projekt somit wesentlich voran. Dieses Beispiel zeigt, dass auch Fachhochschulen im Bereich Forschung ganz vorne mit dabei sein können und einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten.

Prof. Dr.-Ing. Robert Bach

Zum Autor:

Prof. Dr.-Ing. Robert Bach

Leitung Hochspannungslabor
Fachhochschule Südwestfalen

Bach.Robert@fh-swf.de

02921 378-3460

Lübecker Ring 4, 59494 Soest

Der Autor leitet das Hochspannungslabor der FH SWF in Soest und forscht seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Energiekabeltechnik und Diagnostik.