Von Smart Grids zu Smart Markets

Dr.-Ing. Jessica Stephan
Marcel Modemann, M. Sc.
Mahjar Wazifehdust, M. Sc.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek
(Bergische Universität Wuppertal)

Der Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik der Bergischen Universität Wuppertal forscht seit über 10 Jahren an innovativen Lösungen für die Stromnetze der Zukunft.

Durch die fortschreitende Energiewende und die damit verbundene Integration der Elektromobilität und regenerativer Energieerzeugungsanlagen ergeben sich teilweise kritische Netznutzungssituationen im Verteilnetz.

Um diesen drohenden Netzüberlastungen zu begegnen, entstand 2010 die Idee einer intelligenten Ortsnetzstation. Im Pilotprojekt „iNES – intelligentes Verteilnetzmanagement-System“ erprobte die Bergische Universität gemeinsam mit der SPIE SAG, der Energieversorgung Leverkusen, der Mainova und der Mauell GmbH ein Smart Grid System, welches die automatisierte Netzführung im Falle einer Überlastung mithilfe intelligenter Regelungsalgorithmen ermöglicht. In diesem Zuge wurde in mehreren Niederspannungsnetzen zusätzliche Kommunikations-, Regelungs- und Messtechnik installiert. Dadurch konnten die Verteilnetzbetreiber erstmalig den Netzzustand ihrer Niederspannungsnetze in Echtzeit überwachen und sogar automatisch steuern.

Das iNES-Projekt wurde mit zahlreichen Preisen, wie z.B. 2014 mit dem Hermes-Award, ausgezeichnet. Daraufhin folgten viele Folgeprojekte, um das Smart Grid noch smarter zu gestalten. Ein Lademanagement von Elektrofahrzeugen sowie eine Topologieerkennung wurden implementiert. Außerdem wurde das Konzept sowohl für die Mittelspannungsebene als auch um sektorübergreifende Anwendungsfälle erweitert. Mittlerweile ist das iNES-System bei zahlreichen Netzbetreibern im Betrieb.

Im Rahmen der Netzengpassbewirtschaftung wurden kurz darauf die BDEW-Ampel und erste Konzepte zu regionalen Flexibilitätsmärkten öffentlich diskutiert.

Smart Grids können demnach nur in der roten Ampelphase, also erst als Ultima Ratio Maßnahme eingesetzt werden. In der neu entworfenen gelben Ampelphase sollen marktbasierte Lösungen für Netzengpässe gefunden werden.

Die Bergische Universität setzte die BDEW-Ampel im Rahmen der Projekte „Flex2Market“ und „Grid Integration“ anhand von regionalen Flexibilitätsmärkten in der Nieder- und Mittelspannungsebene in zwei Feldtests um. Dabei wurden bereits vorhandene iNES-Systeme um entsprechende Softwarebausteine erweitert.

Die Voraussetzung solcher marktbasierten und somit präventiven Ansätze ist eine Netzzustandsprognose. Ein Prototyp solcher Strom- und Spannungsprognosen für die Nieder- und Mittelspannungsebene ist im Rahmen der o. g. Projekte entstanden. Mit solch einer Netzzustandsprognose können die Netzbetreiber in Zukunft ihr Netz nicht nur in Echtzeit überwachen, sondern sogar den zukünftigen Zustand und ggf. drohende Engpässe im Vorhinein detektieren und durch einen marktbasierten Flexibilitätsabruf vermeiden.

In Folgeprojekten werden diese Smart Market Konzepte weiterentwickelt. Derzeit wird z.B. im Projekt PEAK ein agentenbasierter Flexibilitätshandel entwickelt und im neuen Smart Grid Labor der Bergischen Universität erprobt.ld

Die Gesetzgebung hemmt bisher jedoch die Flexibilitätsnutzung für das Netzengpassmanagement und fördert weiterhin den konventionellen Netzausbau. Eine Veränderung der regulatorischen Rahmenbedingungen würde hier sicher zu einem weiteren Innovationsdruck führen.

Wie sich eine derartige Änderung der Regulierung auswirkt, ist derzeit bei der Neuregelung des Redispatch Verfahrens zu beobachten. Das Redispatch 2.0 soll nun präventiv und marktbasiert erfolgen. Dafür werden ähnliche Softwarelösungen wie für regionale Flexibilitätsmärkte benötigt, da lokale Effekte in der Berechnung des Flexibilitätsbedarfs zu berücksichtigen sind. Ein zweckdienlicher Kompromiss aus Preis und Wirkung kann z. B. mit einem Optimal Power Flow Verfahren identifiziert werden. Daher sind die bisherigen Erkenntnisse im Bereich Smart Market für die Umsetzung des neuen Redispatch 2.0 Verfahrens von großer Relevanz.

Die Bergische Universität wird daher auch in Zukunft mit ihrem umfangreichen Know-How im Bereich Smart Grids bzw. Smart Markets einen wichtigen Teil zur erfolgreichen Umgestaltung des Energiesystems beitragen.

Dr.-Ing. Jessica Stephan

Zur Autorin:

Dr.-Ing. Jessica Stephan

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Jessica.Stephan@uni-wuppertal.de

0202 439-1615

Rainer-Gruenter-Str. 21, 42119 Wuppertal

Die Autorin leitet die Forschungsgruppe „Energiemärkte und Flexibilitätsmanagement“ am Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik der Bergischen Universität Wuppertal. Dort erforscht sie u.a. Netzzustandsprognosen für regionale Flexibilitätsmärkte.